Osman Dumbuya im HEY/HAMBURG Interview: „Die Mobilitätsbranche muss noch viel disruptiver denken.“
Der Gründer und Geschäftsführer unseres diesjährigen Partners Incari GmbH aus Berlin erhofft sich von der Mobilitätsbranche noch radikalere Ideen. Wir haben im Rahmen unserer branchenübergreifenden Interviewreihe mit ihm gesprochen und dabei spannende Einblicke in ein Unternehmen erhalten, das die Transformation der digitalen, mobilen Welt nachhaltig mitgestalten wird.
Wie definieren Sie Mobilität? Was bedeutet Mobilität für Sie bzw. für Ihr Unternehmen?
Jeder Mensch sollte die Möglichkeit und das Recht haben, mobil zu sein und sich frei zu bewegen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Ich persönlich habe Mobilität immer als großes Glück empfunden. Für mich ist Mobilität mehr als nur der Weg von A nach B – sie ist Erlebnis und Freiheit. Das meine ich im räumlichen Sinne, aber auch im übertragenen. Für Incari ist Mobilität ein wichtiges Geschäftsfeld – und das in zweifacher Hinsicht: Alle Fortbewegungsmittel – vom Auto über Schiffe bis zum Lufttaxi und Flugzeug – haben eine digitale Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, für die wir zukunftsorientierte Lösungen anbieten. Unsere Innovationen eröffnen aber noch eine weitere Dimension von Mobilität: Moderne Human-Machine-Interfaces ermöglichen es einer Ärztin in München, aus der Ferne problemlos einen Patienten in Berlin zu operieren ohne mehrere Stunden im Zug zu sitzen – um nur ein Beispiel zu nennen, wo unsere Technologien helfen, mobil zu sein, ohne unterwegs sein zu müssen.
Was ist für Sie die größte Herausforderung der Mobilitätswende? Wie kann sie bewältigt werden?
Die größte Herausforderung besteht für mich darin, unterschiedliche und durchaus berechtigte Interessen in Einklang zu bringen. Einerseits reisen, Auto fahren, fliegen und andererseits Umwelt und Ressourcen schonen. Wir stehen deshalb vor einem Jahrzehnt, in der sich Wahrnehmung und Umsetzung von Mobilität dramatisch verändern werden. Die Digitalisierung wird helfen, dieser Herausforderung zu begegnen. Es beginnt schon im Kleinen: Muss ich zehn Apps für Sharing-Autos, Roller, Räder, Busse und Züge haben oder geht es auch mit einer, die mir die optimale und integrierte Organisation bietet? Wird es vielleicht nur noch Busse geben, weil kein Mensch mehr allein fahren möchte? Oder gibt es ganz neue Möglichkeiten, in anderen Räumen zu sein?
Natürlich werden Menschen weiterhin an das andere Ende der Welt reisen wollen; aber anstatt nur zwei Wochen am Strand zu liegen und in den gleichen Starbucks und McDonalds wie zuhause zu gehen, werden sie künftig womöglich wieder mehr Wert darauflegen, fremde Menschen und Kulturen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. So entsteht ein neues Bewusstsein von Mobilität.
Worin bestehen die größten Mobilitäts-Herausforderungen für Ihre Branche?
Wir müssen aus alten Mustern ausbrechen. Das beste Beispiel sind Autos: Das bestehende Produkt wird Jahr für Jahr optimiert, aber im altbekannten Rahmen. Die Elektrifizierung wird als Revolution gefeiert, dabei ist sie doch nur ein Baustein unter vielen notwendigen. Die Mobilitätsbranche muss noch viel disruptiver denken! Die technologische Entwicklung ist so rasant, da braucht es radikalere Ideen.
Welche Mobility Best Cases beeindrucken Sie gerade ganz besonders und warum?
Die Industrie ist häufig innovativer als viele meinen. Der Volkswagen-Konzern hat mit MOIA ein Pilotprojekt für autonomes Ridepooling in Hamburg gestartet, auch Unternehmen wie Volocopter, Archer oder Autoflight machen mit Flugtaxis große Fortschritte. Es gibt viele spannende Ansätze.
Klar ist aber auch: Wir leben auf einem endlichen Planeten. Das Auto wird an vielen Stellen grundlegend infrage gestellt werden. Es gibt Autohäuser, die Mobilität breiter denken und nun auch Lastenräder oder ÖPNV-Tickets anbieten. Nicht nur in Metropolen wie Berlin, sondern auch an Orten wie Tarmstedt bei Bremen. Immer mehr Menschen nutzen begeistert E-Scooter für die letzte Meile. Solche Projekte finde ich toll, denn den technologischen Fortschritt voranzutreiben ist nur eine Seite der Medaille. Es braucht auch Botschafter, um Menschen zu vermitteln, dass neue Mobilität Spaß macht und die Lebensqualität deswegen nicht sinkt.
Wo steht Ihre Branche/Ihr Unternehmen in puncto Mobilität in 5 Jahren?
Wenn wir jemanden von 1980 in unsere heutige Zeit bringen würden, würde ihm manches wie Magie erscheinen. Wir nutzen Handys, Computer und hängen superflache Screens an die Wand – damals unvorstellbar. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren technologisch mehr passieren wird als in den vergangenen 40 Jahren. Das meine ich in puncto Mobilität und in puncto Digitalisierung, beides gehört für mich untrennbar zusammen. Incari wird diese Transformation mitgestalten und die Vision eines europäischen Betriebssystems verwirklichen. Unser Ziel ist es, eine europäische Alternative auf der Basis europäischer Werte auf dem globalen Markt zu etablieren. Als Grundlage für eine faire und nachhaltige digitale Mobilität.
Welche Erwartungen haben Sie an die Veranstaltung und den Diskurs?
Hamburg ist eine Stadt der Mobilität. Ich freue mich, hier dabei zu sein und bin gespannt auf den Austausch, die vielen Vorträge, die Menschen. Meine Hoffnung ist, mit meinem Beitrag zu noch mehr offenem Denken über die Zukunft der Mobilität anregen zu können.