Unbemannte Paket-Zustellung am Boden und aus der Luft per Drohne
Ein einzigartiges Reallabor testet das Zusammenspiel zwischen Paketdienst, Technik und Endkunde.
Die Lieferdrohne von Volocopter kann schon bald am Himmel von Bruchsal auftauchen. Das unbemannte Fluggerät ist Teil des „Last Mile City Lab 2022“ in der baden-württembergischen Stadt. Das Reallabor wird geleitet von der EfeuCampus Bruchsal GmbH. Efeu steht für „eco-friendly experimental urban logistics“. Auf Deutsch: umweltfreundliche, experimentelle Logistik. Umweltfreundlich, da Pakete elektrisch und gebündelt zugestellt werden sollen. Experimentell, denn die Zusteller sind kleine, selbstfahrende Roboter. Noch fahren diese nicht. Erst Mitte Oktober soll der Testbetrieb starten. Denn, dass die Technik funktioniere, stelle keiner in Frage, sagt Efeu- Geschäftsführer Thomas Anderer. Ziel des Vorhabens sei es zu untersuchen, wie das Zusammenspiel zwischen Depot, Lieferroboter und Endkunden am besten funktionieren kann. Die Lieferroboter bestehen aus einem selbstfahrenden Fahrgestell, auf dem ein oder zwei Paketboxen montiert sind. „Diese sind jeweils etwa so groß, wie ein Bierkasten“, sagt Anderer. Der Akku reiche für zwei Stunden Betriebszeit. Die Fahrzeuge werden im Pakethub induktiv geladen. Zudem könnten Lademöglichkeiten innerhalb des Geschäftsgebiets gebaut werden, so dass der Akku entlang der Route geladen wird, etwa bei der Zustellung an einen Kunden oder eine Paketstation. Zum Konzept gehört ein Quartiers Depot, an das alle Paket-Dienstleister zustellen. Von dort werden Sendungen gebündelt ausgefahren. Die Zustellung erfolgt „synchron oder asynchron“, erklärt Anderer. Bei einer synchronen Zustellung nimmt der Empfänger das Paket direkt entgegen. Bei einer asynchronen Zustellung wird die Paketbox an einer Übergabestation vor dem Haus oder im Quartier deponiert. Der Empfänger kann diese dann mit einer App öffnen und das Paket entgegennehmen. Sobald die Paketbox abgedockt ist, fährt „das Roboterfahrzeug zurück und nimmt aus einer daneben liegenden Dockingstation beispielsweise den Müll mit“, sagt Anderer. „Die Restmülltonne werden wir mit der ersten Lösung nicht ersetzen können“, aber die Mitnahme von Elektroschrott oder Papier sei denkbar. Laut Anderer wurde lange überlegt, wie eine Paket-Übergabestation aussehen könne.
„Man kann es hoch technisch machen und dann sagen, es kostet 50.000 Euro. Aber damit schließt man alle aus, die nicht so viel Geld für die Station bezahlen wollen.“ Wie teuer die Übergabestation genau sein wird, sei noch unklar. Laut Anderer werde geprüft, wie diese stabil, diebstahlsicher und günstig hergestellt werden könne. Das Reallabor in Bruchsal ist Deutschlands erstes Innovationszentrum für autonome urbane Güterlogistik. Zwar haben schon andere Unternehmen autonome Lieferroboter getestet, doch hier ginge es um das Gesamtpaket. In einem nächsten Schritt kommen auch Drohnen zum Einsatz. Die Volodrone des in Bruchsal ansässigen Unternehmens Volocopter soll Palettenware liefern. Diese wird per Lkw an einen Umschlagpunkt an der Autobahn gebracht und von dort per Drohne zugestellt. Zudem soll das Projekt auf weitere Quartiere ausgeweitet werden, um unterschiedliche Szenarien zu testen. „In einem Quartier liefern wir dann beispielsweise an Ostern und an Weihnachten aus, um zu zeigen, dass wir mit solchen Technologien auch die Peaks gut abfangen können.“ Ein anderes Szenario könnte laut Anderer die Auslieferung in der Fußgängerzone sein. Damit das Konzept der gebündelten Lieferung aufgeht, müssen KEP-Dienste an das Quartiers Depot anstatt den Endkunden liefern. Anderer räumt ein, dass es bislang schwierig war, die Logistikdienstleister an Bord zu holen. „Ein Paket-Dienst verfolgt natürlich ein anderes Interesse als eine Stadt. Eine Stadt möchte Lieferverkehre in der Innenstadt reduzieren und der Paket-Dienst den Kontakt zum Endkunden als Datenbasis erhalten und ausbauen“, so Anderer. Dennoch hätte das Vorhaben auch für die Logistik-Branche Vorteile. Bei einer Lieferung ans Depot wäre die Zustellung beim ersten Versuch garantiert. „Das Problem ist, dass wir da nicht viel und keine schnellen Entscheidungen zu erwarten haben“, sagt Anderer. Laut ihm könne die Politik die komplex gewordene Situation auf der letzten Meile nur noch schwer bewerten. Wenn eine Lösung zu erwarten sei, dann voraussichtlich auf Landes- oder sogar Kommunalebene, da diese selbst direkt betroffen seien.
Text: Carla Westerheide, DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung