Sabine Barthauer im HEY/HAMBURG Interview: „Die Immobilienbranche wird Mobilität künftig noch gesamtkonzeptioneller denken müssen.“

Zum Auftakt unserer branchenübergreifenden Interview-Reihe sprechen wir mit Sabine Barthauer.
Sie ist Mitglied des Vorstands der DZ HYP und Sprecherin im Regionalvorstand NORD des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) e.V., der in diesem Jahr Partner von HEY/HAMBURG ist.

Wie definieren Sie Mobilität? Was bedeutet Mobilität für Sie bzw. für Ihr Unternehmen? 
„Mobilität und Immobilien bedeuten ja eigentlich Gegensätzliches: Bewegung und Unbeweglichkeit. Und doch ist beides untrennbar miteinander verbunden. Neu geschaffene Wohnquartiere sorgen zum Beispiel dafür, dass Wege verkürzt werden, da Kitas, Einzelhandel oder Paketdienste vor Ort eingebunden werden. Als positiven Effekt haben wir dann weniger Verkehr auf den Straßen, da die Menschen nicht mehr von A nach B fahren müssen, um die Dinge des täglichen Lebens zu erledigen.

Andersherum zeigt sich der hohe Einfluss von Mobilitätsanforderungen auf die Ausstattung von Immobilien. Da Car-Sharing vor allem in Metropolregionen immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird perspektivisch weniger Parkplatzraum in Tiefgaragen benötigt. Auch das Mitdenken von Elektroladestationen ist durch die steigenden Nutzerzahlen bei E-Cars längst Standard. 

Für uns beim ZIA zeigen diese Entwicklungen, dass beteiligte Sektoren noch integrativer zusammengedacht und auch zusammengebracht werden müssen. Unsere Partnerschaft mit HEY/HAMBURG ist daher für uns ein logischer Schritt in diese Richtung. Energiedienstleister, Automobilwirtschaft, Baubranche: Alle müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam Lösungen kreieren, die sowohl den neuen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen als auch den verkehrspolitisch gewollten Effekten Rechnung tragen.“ 

Was ist für Sie die größte Herausforderung der Mobilitätswende? Wie kann sie bewältigt werden?
„Eine der größten Herausforderungen sehe ich im derzeitigen – und künftig sicher noch weiter zunehmenden –Tempo der Technologieentwicklung. Die Innovationsdynamik im Bereich der Mobilität ist natürlich richtig und wichtig. Aber oft stehen hohe Investitionen mit langfristiger Planung einer schnelllebigen Technologienentwicklung gegenüber. Zusätzlich zu diesem Spannungsfeld gibt es eventuell Veränderungen im politischen Umfeld damit verbunden auch neue gesetzliche Regelungen. All dies sorgt für neue Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt der getroffenen Ausgabenentscheidungen teilweise noch gar nicht absehbar waren. Wie können wir das bewältigen? Indem wir lernen, trotz Langfristplanung flexibel zu bleiben. Darauf wird es aus meiner Sicht ankommen, um die Mobilitätswende erfolgreich zu gestalten.“ 

Worin bestehen die größten Mobilitäts-Herausforderungen für Ihre Branche? 
„Die Immobilienbranche wird Mobilität künftig noch gesamtkonzeptioneller denken müssen. Das heißt, wir sollten nicht nur einzelne Ladestationen betrachten, sondern immer auch die mobile Gesamtstrategie mit ÖPNV-Anschluss, Individualverkehr, Sammelbussen, CO2-Emissionen und Erneuerbarer Energie im Blick haben. 

Bei der konkreten Objektgestaltung ist dann vor allem Flexibilität gefragt. Neue Technologien müssen integriert und neue mobile Arbeits- und Lebensmodelle berücksichtigt werden. Wenn zum Beispiel zwei Personen eines Haushalts gleichzeitig im Home-Office sind, braucht es eine entsprechende Raumplanung und technische Gegebenheiten. Ein Beispiel aus dem Gewerbebereich: Wenn in Büros künftig eher der persönliche Austausch als die Stillarbeit im Vordergrund stehen soll, braucht es mehr Kommunikationsflächen. Beides ist aber auch schon längst in der Objektplanung angekommen. Hier hat sich die Immobilienbranche schon auf den Weg gemacht.“       

Welche Mobility Best Cases beeindrucken Sie gerade ganz besonders und warum? 
„Zum einen Freiburgs autoreduziertes Stadtviertel Vauban. Hier ist es gelungen, ein auf dem Reißbrett vor rund 28 Jahren geplantes Mobilitätskonzept in die Lebenswirklichkeit zu übertragen. Kurze Wege, viele Spielstraßen, wenig Autos: All das ist in Vauban heute Realität. Den Grundstein bildeten hier intelligent gesetzte Tempolimits und ÖPNV-Anbindungen, Car-Sharing-Angebote für autofreie Haushalte und eine eigene Quartiersgarage. Für mich ist das ein echtes Vorzeigeobjekt für praktizierte Lebensnähe. 

Ein zweites Mobilitäts-Projekt, das ich sehr spannend finde, ist noch kein Best Case, aber es könnte definitiv einer werden. Paris will wie Oslo und Gent zu einer 15-Minuten-Stadt werden, in der alles Wichtige in 15 Minuten zu erreichen ist - also Arbeitsplatz, Freizeitaktivitäten, Grünflächen, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und Restaurants. Meinen Respekt für Bürgermeisterin Madame Anne Hidalgo, die sich dieses Vorhaben auf ihre politische Agenda geschrieben hat. In Paris pendeln immerhin circa vier Millionen Menschen täglich aus den Vororten nach Paris oder müssen die Stadt durchqueren, um zur Arbeit zu gelangen. 

Dass Mobilität auch im Kleinen einen großen Beitrag leisten kann, zeigen für mich die elektrobetriebenen Cargohopper im holländischen Utrecht. Auf dem Hinweg liefern sie die Pakete aus, auf dem Rückweg sammeln sie das Verpackungsmaterial wieder ein. So einfach und gleichzeitig effektiv kann Mobilität sein. Auf diese Art können jährlich vor Ort bis zu 100.000 innerstädtische LKW-Fahrten vermieden werden. Diese Zahl hat mich wirklich beeindruckt.“   

Wo steht Ihre Branche/Ihr Unternehmen in puncto Mobilität in 5 Jahren?
„Auf jeden Fall werden wir als Immobilienbranche noch flexibler und reagibler werden. Wir werden es gewohnt sein, vernetzt zu denken und zu handeln. Es wächst derzeit eine Generation heran, für die genau das Normalität sein wird. 

Bei dieser Verpflichtung zum vernetzten Denken schließe ich übrigens auch ausdrücklich uns Finanzierungsbanken mit ein. Als DZ HYP werden wir uns noch inhaltlicher mit den Auswirkungen der Mobilität der Zukunft auf die Immobilienkonzepte beschäftigen. Neue Gebäudezyklen bedingen dann ggf. möglicherweise auch neue Finanzierungsformen. Das werden wir im Blick behalten.“

HEY/HAMBURG und Hamburg als Stadt vereint wie keine andere die Mobilität zu Lande (Straße und Schiene), zu Wasser und in der Luft. Welche Erwartungen haben Sie an die Veranstaltung und den Diskurs? 
„Vor allem erwarte ich einen inspirierenden Brückenschlag zwischen den einzelnen Branchen. HEY/HAMBURG wird diese Vernetzung vorantreiben, da bin ich mir sicher. Ich persönlich freue mich auf einen ergebnisoffenen Austausch, bei dem man sich zuhört, und auf die gemeinsame Weiterentwicklung von Ideen. Das ist der Spirit, für den HEY/HAMBURG bekannt ist, – und ich freue mich sehr, dass wir als ZIA diese Veranstaltung in diesem Jahr als Partner erleben dürfen.“ 

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