Chance für neues Denken: Was wir aus „Shipageddon“ lernen können.

Aus Krisen erwächst die Kraft für Neues. Was sich in der Theorie gut anhört, ist praktisch oft schwer umzusetzen. Ist zum Beispiel angesichts von „Shipageddon“ ein Schritt nach vorn möglich? Kann das Kapazitätsproblem auf der letzten Logistik-Meile zum Innovator werden? Kann uns vielleicht sogar die Supply Chain Krise, die die Welt derzeit fest im Griff hat, positive Impulse geben? 

Beginnen wir die Beantwortung dieser Fragen mit einem Rückblick auf den Begriff „Shipageddon“. In 2020 brachte er im Zuge der massiv steigenden Zahlen an Online-Bestellungen in Pandemie-Zeiten ein Problem auf den Punkt: immer mehr Pakete, immer mehr Lieferungen, immer mehr Transporte auf den Straßen. Es wurde „voll“ auf der letzten Meile. Neue Logistik-Konzepte gab es natürlich schon vor der Pandemie, aber jetzt stieg der Handlungsdruck. Oder anders gesagt: Neues Denken musste her. Kollaborativ. Ganzheitlich. Mutig. Die urbane Logistik machte sich so auf den Weg in ihre eigene Zukunft. 

In Hamburg testete man zum Beispiel unter dem Projektnamen „SmaLa“ ein virtuelles Buchungssystem, bei dem Kurier-, Express- und Paketdienstleister Lieferzonen in der Stadt reservieren können. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus dem Förderprogramm „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“. Und es geht weiter: In einer zweiten Phase ist nun das Ziel, die Anzahl auf 25 smarte Liefer-und Ladezonen in drei Hamburger Bezirken bis Ende 2023 zu erhöhen. 

Weitere Beispiele: In Irland entstanden neue Microhubs in Parkhäusern, in denen für die letzte Meile Container-Ladungen auf Lastenräder verteilt wurden. Auch Lösungen für Drohnenauslieferungen und autonomen Zustellungen starteten in einigen Regionen mit ersten Testphasen. In Zukunft soll es aber noch weiter gehen. Stichwort: Mixed-Use-Gebäude. Warum nicht Pakete in Büros, Wohnungen oder Restaurants hinterlegen, um den Lärm der Lieferdienste nach innen zu verlagern? Mit entsprechendem ökologischem Refurbishment der Bestandsimmobilien natürlich. Oder warum nicht nationale Personen-Bahnfahrten mit freien Kapazitäten nutzen, um Pakete zu transportieren? 

Wie so oft, braucht neues Denken Zeit, um sich nachhaltig durchzusetzen. Es gibt sie, die innerstädtischen Widerstände. In Deutschland wie in einigen europäischen Nachbarländern. Natürlich müssen zum Beispiel für Lastenräder Parkflächen und Zugang zu Ladepunkten geschaffen werden. Auch Mikrodepots benötigen Platz – und genau dieser ist knapp in den Städten. Unterschiedliche Interessen müssen daher konsolidiert und dem Ziel untergeordnet werden, einen Ausweg aus „Shipageddon“ zu finden. Die gute Nachricht aber lautet: Der Anfang ist gemacht!

Das gleiche gilt für die große Supply Chain Krise, die laut Forbes mittlerweile zu einem globalen „Shipageddon“ avanciert. Die Ursachen hierfür liegen vor allem in zu wenig Schiffs- und Hafenkapazitäten, explodierenden Transportpreisen, nicht resilienten Infrastrukturen bei Energieausfällen, Pandemien, Kriegen und Cyberangriffen sowie die globale Überlastung durch den rapide wachsenden E-Commerce. Die Reaktion auf der Welt ist relativ einhellig: Der Internationale Protektionismus hat dafür gesorgt, dass sich immer mehr Unternehmen in der Logistik auf „Nearshore“-Konzepte stützen – auf eine Supply Chain, die über möglichst wenige Landesgrenzen hinweg funktioniert. Laut McKinsey planen zum Beispiel 71% der weltweiten Modebetriebe ihren Nearshoring-Anteil zu erhöhen. „Das große Verschanzen“, wie es die ZEIT nennt, hat also den positiven Nebeneffekt einer lokalen Konzentration. 

Warum positiv? Logistikketten werden dadurch massiv verkürzt. Diese Entwicklung treibt gleichzeitig das von Experten als Wirtschaftsmodell der Zukunft angepriesene Konzept der Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“) massiv voran. Das Prinzip dahinter: Zur Produktion benötigte Materialien sind Teil eines Kreislaufs und die Energie kommt aus erneuerbaren Quellen. Dass all dies positive Auswirkungen auf immense Herausforderungen wie den Klimawandel, die Umweltverschmutzung oder die Wasserknappheit hat liegt auf der Hand.  

Fazit: Sind die großen Krisen erst einmal da, wirken sie oft auf den ersten Blick unüberwindbar. Wenn jedoch neues Denken einsetzt und nach Lösungen gesucht wird, die Mensch und Umwelt helfen, kann der große Schritt nach vorn gelingen. 

Zurück
Zurück

Prof. Phillip Goltermann im HEY/HAMBURG Interview: „Wir werden Immobilien künftig viel resilienter planen müssen.“

Weiter
Weiter

Love City statt Smart City: Der Wertewandel ist in vollem Gange.