Dr. Jürgen Perschon im HEY/HAMBURG Interview: „In 10 Jahren werden wir in Afrika wieder eine Fahrrad-Kultur erleben.“

Wir haben mit Dr. Jürgen Perschon, dem Direktor von EURIST e.V. (European Institute for Sustainable Transport) gesprochen, die mit afrikanischen E-Bikes die Mobilität des Kontinents in eine neue Ära führen wollen. Für ihn ist beim Thema Mobilität klar: Wir sollten uns mehr auf die Planung der Zugänglichkeit und der Psyche der Nachfrageseite konzentrieren.

Wie definieren Sie Mobilität? Was bedeutet Mobilität für Sie bzw. für Ihr Unternehmen?
Mobilität im Sinne einer Fortbewegung von A nach B ist ein Bedürfnis und ein Instrument für die persönliche, aber auch für die gesellschaftliche, Entwicklung. Sie ist aber auch das Ergebnis der regionalen, lokalen und räumlichen Planung und dabei an sich nicht so wichtig wie der Zugang. Anders gesagt: Für mich stellt die Planung der Zugänglichkeit eine Voraussetzung für das Erreichen nachhaltiger Mobilitätsstrukturen und Lebensstile dar – sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich. In entwickelten Regionen sollten wir uns daher eher auf den Zugang zu bestimmten Zielen, als auf die Planung von mehr Mobilität konzentrieren. 

Unsere Mission als EURIST e.V. lautet dabei: Wir möchten die Fahrradkultur in Entwicklungsregionen wiederbeleben. Vor allem in Afrika, wo die Verkehrsnachfrage am schnellsten wächst. In 10 Jahren werden wir dort wieder eine Fahrradkultur erleben und unsere afrikanischen E-Bikes sollen dabei zum Initial für ein neues Image des Radfahrens werden.

Was ist für Sie die größte Herausforderung der Mobilitätswende? Wie kann sie bewältigt werden?
Zunächst einmal müssen wir politischen Entscheidungsträgern klar vor Augen führen, dass kurze Wege der Schlüssel zum Erfolg einer nachhaltigen Mobilität sind. Hier ist noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Darüber hinaus sollten in den Planungsabteilungen und Universitäten zügig personelle Kapazitäten aufgebaut werden, die die Mobilitätswende nicht nur als rein technologische Aufgabe sehen. Beim Thema Mobilität geht es vor allem auch um Psychologie, Status und Lebensstil. Diese Felder müssen konsequent in den Mittelpunkt gestellt werden, wenn eine neue Mobilitätskultur in der Gesellschaft entstehen soll. Es geht doch um viel mehr als nur Elektroautos.

Worin bestehen die größten Mobilitäts-Herausforderungen für Ihre Branche?
Bei unserer Zusammenarbeit mit Städten, Gemeinden, CSOs und Unternehmen erleben wir nach wie vor, dass sich noch zu sehr auf die Angebotsseite des Verkehrs konzentriert wird. Das Mindset bei Entscheidern und Marktteilnehmern muss sich hier viel stärker an der Nachfrageseite orientieren. Wie schon gesagt: Die Psyche und Bedürfnisse der Menschen müssen beim Thema Mobilität in den Fokus gerückt werden.

Welche Mobility Best Cases beeindrucken Sie gerade ganz besonders und warum?
In vielen Ländern entstehen derzeit immer mehr urbane Seilbahnsysteme. Aus gutem Grund: Diese können einen großen Beitrag zu einem sicheren, bequemen und erstklassigen öffentlichen Nahverkehr leisten, der mit grenzenloser Energie betrieben wird. In Deutschland sehen wir diese Entwicklung leider nicht, aber ich bin davon überzeugt, dass urbane Seilbahnsysteme in vielen südlichen Ländern künftig zu einem Rückgrat des ÖPNV werden.

Wo steht Ihre Branche/Ihr Unternehmen in puncto Mobilität in 5 Jahren?
EURIST e.V. wird dann als Kompetenzzentrum für urbane Seilbahnsysteme und E-Bike-Mobilität in Afrika sowie anderen Entwicklungsregionen wahrgenommen werden.

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