Lena Schrum im HEY/HAMBURG Interview: „Mobilität bleibt. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise wir diese in den kommenden Jahren nutzen werden.“

Lena Schrum, Co-Founderin aware_ THE PLATFORM, sieht im branchenübergreifenden Wissenstransfer rund um das Thema Mobilität eine große Chance, das von unterschiedlichen Interessen geprägte Umfeld zu inspirieren. In unserem Interview greift sie in diesem Zusammenhang globale Herausforderungen auf und kennzeichnet Lösungswege.

Wie definieren Sie Mobilität? Was bedeutet Mobilität für Sie bzw. für Ihr Unternehmen?
Als Co-Founderin von aware_ definiere ich Mobilität natürlich im Kontext der Nachhaltigkeit: Mobilität ist ein Grundbedürfnis von Menschen und Gesellschaft. Nachhaltige Mobilität geht dabei allerdings weit über dieses Grundbedürfnis und den effizienteren Einsatz von Transportmitteln hinaus. So bedeutet nachhaltige Mobilität unter anderem eine Verringerung von Emissionen, aber auch einen geringeren Ressourcenverbrauch.

Was ist für Sie die größte Herausforderung der Mobilitätswende? Wie kann sie bewältigt werden?
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in städtischen Gebieten – Tendenz steigend. Mit zunehmender Bevölkerung nehmen auch Verkehr und Emissionen in Städten zu. Studien zeigen, dass im Jahr 2030 täglich mehr als 500 Millionen Menschen von Staus auf den Straßen betroffen sein werden. Das starke Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung und die Verkehrssituation bringen Verkehrssysteme an ihre Grenzen und verlangen nach innovativen Mobilitätsoptionen. Hier besteht ein immenses Potenzial, flexiblere, zuverlässigere, bezahlbare, nachhaltige, integrierte und nutzerorientierte Verkehrssysteme zu schaffen.

Soziale, wirtschaftliche und politische Aspekte bergen zugleich auch enorme Herausforderungen bei der Gestaltung von nachhaltiger Mobilität. Unterschiedliche, oft stark widerstrebende Interessen von vielen Akteuren machen das Thema spannungsreich wie kaum ein anderes. Besonders in diesem hochkomplexen Feld kann Wissenstransfer – branchenübergreifend und ganzheitlich – einen entscheidenden Beitrag leisten: durch Best Practices, interdisziplinäre Ansätze und konsequente Reflexion im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung.

Worin bestehen die größten Mobilitäts-Herausforderungen für Ihre Branche?
Um Verkehr nachhaltig zu gestalten, entfalten Einzelmaßnahmen bekanntlich nicht die gleiche Wirkung, wie ein Mix von Maßnahmen. Das Fahrzeug und seine Antriebstechnik dürfen nicht allein im Fokus stehen. Erst mit einem integrierten Ansatz inklusive nicht-technischer Maßnahmen lassen sich die gesteckten Klimaschutzziele auch erreichen. Nötig sind vor allem wirtschaftliche Anreize mit dem Ziel einer Verhaltensänderung und einer Siedlungs- und Verkehrsplanung, die Verkehrsvermeidung und umweltfreundliche Verkehrsträger in den Fokus nimmt. Umso wichtiger ist es, Nachhaltigkeit nicht als Trend, sondern als unausweichliche Transformation unserer Epoche zu verstehen und diese ganzheitlich und branchenübergreifend zu betrachten. Darauf basiert unser neuestes Produkt: die aware_ Academy.

Mit der aware_ Academy zeigen wir, wie man Mitarbeiter*Innen und Organisationen in Zeiten des Klimawandels zukunftssicher aufstellen kann. Die aware_ Academy ist eine digitale Plattform für den Wissenstransfer von Mitarbeiter*Innen aller Abteilungen und Ebenen – vom Basiswissen bis zu praxisnahen Inhalten. Das Ziel: qualitative Berührungspunkte in den Bereichen Nachhaltigkeit und Change-Management etablieren.  

Auf Grundlage der ESG (Environmental, Social, Governance) schaffen wir sorgfältig kuratierte und individuelle Lernpfade, um Mitarbeiter*Innen gezielt weiterzubilden. Mit Blick auf die Mobilitätsbranche wäre hier beispielsweise eine Frage, ob und wie sich Unternehmen zu einem Gesetz für faire Lieferketten positionieren.

Welche Mobility Best Cases beeindrucken Sie gerade ganz besonders und warum?
Beeindruckende Best-Cases liefert zum Beispiel unser Partner Fujitsu bei Fragen wie: Welche Technologien machen eine Stadt zur Smart City? Wie schaut die Stadt der Zukunft aus? Und wie kommen wir besonders nachhaltig von A nach B? Ein Hauptaugenmerk liegt hier in der Entwicklung von Smart City-Strategien in Zusammenarbeit mit Stadt- und Kommunalverantwortlichen. Es geht dabei vor allem um innovative, datenbasierte Anwendungsszenarien im Bereich Verkehr & Mobilität.

Ein Beispiel ist hier das QIOS-System von Fujitsu zur Verkehrsflussoptimierung. Daten werden nahezu in Echtzeit unter Berücksichtigung des gesamten Verkehrs einer Stadt berechnet. So kann beispielsweise die Ampelschaltung so angepasst werden, dass der Verkehr fließt. Ändert sich die Verkehrssituation unerwartet, zum Beispiel durch einen Unfall, berechnet QIOS nahezu in Echtzeit die Routen neu. Fujitsu kann damit die Gesamtreisezeit um bis zu 40% reduzieren. Darüber hinaus profitieren Stadt und Gesellschaft, weil Staus, Lärm, Umweltverschmutzung, Kraftstoffverbrauch und durchschnittliche Wartezeiten an Ampeln reduziert werden.

Wo steht Ihre Branche/Ihr Unternehmen in puncto Mobilität in 5 Jahren?
Die Pandemie hat uns in den letzten Jahren auf bemerkenswerte Weise gelehrt, welche positiven Auswirkungen weniger Autos in den Städten haben. Mit zunehmendem Straßenlärm, steigender Schadstoffbelastung und Verkehrsstaus stehen Städte unter wachsendem Druck, fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu werden. Großstädte wie Brüssel und Mailand haben bereits angekündigt, einige Vorschriften bezüglich des Verkehrs zu ändern.

Hinzu kommt der zunehmende Bedeutungsverlust von privatem Autobesitz, der Carsharing und andere neue autobezogene Geschäftsmodelle wie Abonnementdienste oder gesunde und kostengünstige Fortbewegungsmittel wie Fahrräder ankurbelt. Mobilitätsservices sind fundamentaler Bestandteil einer modernen, vernetzten Stadt sowie von elementarer Wichtigkeit für die persönliche Nachhaltigkeitsstrategie. Carsharing Autos sind in der Regel jünger und effizienter und können wie Hybrid- oder Elektroautos einen beträchtlichen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten.

Für eine globale nachhaltige Entwicklung ist der Einfluss von Mobilität bereits heute weitreichend, und angesichts einer rasant wachsenden und immer mobiler werdenden Weltbevölkerung wird er noch massiv zunehmen.

Mobilität bleibt. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise wir diese in den kommenden Jahren nutzen werden. Elektromobilität und alternative Treibstoffe, Mobilitätsservices und revolutionäre Technologien wie Urban Air Mobility stehen in den Startlöchern, Normalität zu werden.

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